Und Beckenbauer pickt am Boden…
Alle zwei Jahre ist es wieder so weit: das Sammelfieber bricht unter den Fußballfans aus. Niemand ist davor gefeit, Jung und Alt, Mann und Frau, die Welle erfasst Angehörige aller Altersklassen und Berufsgruppen. Auch jetzt, wenige Tage vor Anpfiff der Weltmeisterschaft 2018, versuchen einige Sammler und Sammlerinnen noch immer verzweifelt ihre Hefte voll zu bekommen. Wie immer dringend gesucht: Glitzersticker!
Auch dieses Frühjahr war es wieder so weit. Pünktlich mit dem Erscheinen des Panini Stickeralbums am 27. März 2018 hat das Sammelfieber auch Österreich erfasst und erreicht nun, zum Beginn der Fußballweltmeisterschaft, einen Höhepunkt. Zwischen professionellen Händlern, die jedes Mal scheinbar mehr werden, tummeln sich auf Tauschbörsen Kinder mit ihren Eltern und Jugendliche, die die letzten Lücken in ihren Sammelalben schließen wollen. „Normale“ Panini Sticker wandern hier bei jenen, die nur ihre eigenen Alben füllen wollen, nur noch selten über den Tisch. Denn gesucht werden fast ausschließlich Glitzersticker. Ein Begriff, der das Potential zum Unwort des Jahres hat. Noch nie war die Dichte an diesen, die sowieso nur einen geringen Prozentsatz aller Sammelbilder ausmachen, in Päckchen geringer. Ein Umstand, der von den Herstellern dementiert wird, jedoch unter Sammlern und Sammlerinnen besonders online angeprangert wird.
Nicht nur ein Lokalaugenschein diverser Tauschbörsen, sondern auch selbst als leidgeprüfte Sammlerin gemachte Erfahrungen, bestätigen diesen Umstand. Ohne das Nachbestellen von eben diesen heiß begehrten Glitzerstickern oder dem Einkauf bei teuren Händlern auf Tauschbörsen, dürften viele ihre Sammelhefte dieses Jahr nicht voll bekommen. Aber nicht nur die Glitzersticker-Problematik hat sich im Vergleich zum Sammelspaß vor zwei Jahren verschärft. Auch die Preise sind kräftig gestiegen. So kostet dieses Jahr ein Päckchen mit 5 Stickern 90 Cent. Das ergibt zur letzten EM 2016 (70 Cent) eine Preissteigerung von knapp 30 Prozent! Auch in den Jahren davor sind die Sticker kontinuierlich teurer geworden. Dazu kommt: jedes Mal sind mehr Sticker zu sammeln. Aktuell sind es 688 Sticker plus 12 Sondersticker. Im Endeffekt explodieren die Kosten für solch ein Panini Album für alle begeisterten Sammler (bzw. Sammlerinnen) und trifft vor allem Kinder und Jugendliche, die die Sticker u.a. von ihrem Taschengeld zahlen, hart. Da dürften sich, wie auch an der intensiven Werbung für das Album im Radio klar wird, so manche und mancher das diesjährige Sammeln erspart haben. Denn Spaß ist das angesichts der Preise nicht mehr.
Dass sich das Sammelfieber dieses Jahr so lange hinzieht hat aber, neben dem großen Abwesenden namens Glitzersticker, auch mit zwölf Sonderstickern zu tun, die erst seit wenigen Wochen im Handel erhältlich sind – genauer gesagt bei Coca-Cola und McDonalds. Dass ein Sammler (bzw. eine Sammlerin) durch solche Promotionaktionen geradezu gezwungen wird deren Produkte zu kaufen, um sein Sammelalbum zu vervollständigen, ist nicht neu. Das System, um diese zu erhalten, hat sich aber weiterentwickelt. So sind die Coca-Cola Sticker nun hinter den Schleifen der Halbliterflaschen verborgen und sind nicht mehr als Extrapäckchen in Sechserträgern, die oftmals vor dem Kauf entwendet wurden, erhältlich. Dementsprechend müssen diesmal – falls sich tatsächlich unter jeder Schleife ein anderer Sticker befindet – insgesamt zehn (!) solcher Flaschen gekauft (bzw. konsumiert) werden. Dass dies in der Regel nicht der Fall ist, ist offensichtlich. Dementsprechend hoch werden diese auch im Internet (und auf Tauschbörsen) gehandelt.
Jedoch kann mit einem kleinen Trick, ohne das Etikett entfernen zu müssen, festgestellt werden, wer sich unter diesem versteckt. Denn, wenn man die Flasche seitlich kippt und gegen das Licht hält, entdeckt man mit etwas Glück Teile des Fußballernamens. Dass man dabei nicht die beste Figur macht und die anderen Menschen im Lebensmittelgeschäft einen wohl für sehr seltsam halten, dürfte und sollte einem Sammler (bzw. Sammlerin) aber egal sein. Schließlich gibt es nur ein Ziel: das Vervollständigen des Sammelalbums. Dass aber nicht alle an dieser Promotionaktion interessiert sind, wird spätestens dann klar, wenn man den jungen Franz Beckenbauer in Form eines Coca-Cola Sticker in den Straßen der Innsbrucker Innenstadt auf dem Boden kleben sieht. Dass sich weder die Fußballlegende noch der Sticker, welcher so manchen Fan glücklich gemacht hätte, das verdient hat, versteht sich von selbst.
Text: Barbara Klaus
Bilder: © Panini