Musical „Das Phantom der Oper“ – Bericht

Das Phantom ist zurück!

Nach rund 30 Jahren Pause treibt das Phantom der Oper wieder sein Unwesen in Wien. Seit März 2024 ist der Musicalklassiker in einer Neuproduktion im Raimund Theater zu sehen, die v.a. durch viele spannende Spezialeffekte, ein interessantes, wandlungsfähiges Bühnenbild sowie klassisch-elegante Kostüme besticht. In den Hauptrollen begeistern Anton Zetterholm, Lisanne Clémence Veeneman und Roy Goldman.

Die Geschichte des Musicals, welches auf dem Roman „Le Fantôme de L’Opéra“ von Gaston Leroux basiert, ist altbekannt. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lebt angeblich eine maskierte Gestalt – das Phantom – in den Katakomben der Pariser Oper und verbreitet von dort aus im gesamten Opernhaus Angst und Schrecken. Als das Phantom die junge Sopranistin Christine erstmals singen hört, verliebt es sich unsterblich in sie und schreckt vor nichts zurück, um ihr Talent zu fördern. Doch die neuen Direktoren des Hauses, Monsieur André und Monsieur Firmin, möchten sich nicht von einem „Geist“ brieflich Anweisungen diktieren lassen und auch die Primadonna der Oper, Carlotta Guidicelli, gibt ihre Hauptrolle nicht einfach so auf. Raoul hält ebenfalls nicht viel von der maskierten Gestalt, die ein Auge auf seine Freundin Christine geworfen hat. Am Ende ist es jedoch Christine selbst die entscheiden muss, wie es mit ihrem unbekannten Verehrer weitergehen soll…

Seit seiner Uraufführung 1986 ist das „Phantom der Oper“ von Andrew Lloyd Webber eines der erfolgreichsten Musicals aller Zeiten. Im Raimund Theater war es bereits von 1990 bis 1993 zu sehen. Viele Musicalfans schwärmen noch heute von der damaligen Inszenierung und insbesondere dem Schreckmoment, als der Luster auf die Bühne fiel. Dem riesigen, funkelnden Kronleuchter wird auch in der Neuproduktion von Cameron Mackintosh eine prominente Position eingeräumt. So hängt er diesmal von Anfang an über den Köpfen des Publikums und beginnt immer wieder unheilvoll zu wackeln und zu flackern. So manche Zuschauerinnen und Zuschauer im Parkett dürften sich zugleich bange und erwartungsvoll fragen, wann (und wie weit) er wohl nun herabfallen mag.

Dabei hat die Neuinszenierung noch deutlich mehr spannende, und vor allem überraschende, Spezialeffekte als nur einen herabfallenden Luster zu bieten. Besonders die pyrotechnischen Effekte, die das Phantom Christine und Raoul „hinterherschleudert“, und die auf der Jagd nach dem Phantom abgefeuerten Schüsse hinterlassen einen bleibenden Eindruck und sind vor allem für eine Musicalproduktion eher ungewöhnlich. Ob sich ein junges Publikum – auf das tagtäglich in Kino, Fernsehen und Social Media immer realistischere Special Effects einprasselt – hiervon beeindrucken lässt, ist unklar. Jedoch ist eine vor Ort miterlebte Bühnenperformance, bei der man (insbesondere in den ersten Reihen) die Hitze der Pyrotechnik spürt und natürlich auch riecht, etwas ganz Anderes als mit KI generierte Effekte auf einem Bildschirm.

Darüber hinaus besticht die Neuproduktion durch eher altbekannte Elemente, die nur sehr moderat aktualisiert wurden. Nachdem das gesamte Musical in der Oper spielt, sind es vor allem die Kostüme, die ins Auge fallen. Während sie bei Proben und Aufführungen (u.a. „Hannibal“) glitzern und glänzen, sind sie abseits dessen eher elegant und schlicht gehalten. Das schnell wandlungsfähige, interessante Bühnenbild dient als perfekte Kulisse für die unterschiedlichsten Szenen – vom Maskenball, über einen Friedhof und das Dach der Oper bis hin zu deren Katakomben, in denen das Phantom haust. Das Musical selbst lebt aber von den dazu präsentierten, weltbekannten Liedern, wie „Maskenball“, „Die Musik der Dunkelheit“, „Mehr will ich nicht von dir“ und „Das Phantom der Oper“. Sie waren und sind auch weiterhin (selbstverständlich neben dem Luster) die heimlichen Stars des Abends.

Jedoch benötigt es hierfür auch eine ausgezeichnete, harmonierende Besetzung, welche die Neuproduktion in Wien eindeutig zu bieten hat. In der weiblichen Hauptrolle überzeugt sowohl stimmlich als auch schauspielerisch die Niederländerin Lisanne Clémence Veeneman. An ihrer Seite ist der ebenfalls aus den Niederlanden stammende Schauspieler Roy Goldman als der freundliche, charmante und später besorgte Freund von Christine, Raoul, zu sehen. Das genaue Gegenteil von ihm verkörpert Anton Zetterholm. Als Phantom vermag er zunächst auch Christine zu umgarnen, jedoch kommen mit der Zeit sowohl seine deutlich dominantere, skrupellosere Seite als auch sein innerlich zerrissenes Wesen zum Vorschein. All diese Facetten beherrscht der Schwede Zetterholm perfekt. Das somit ideal besetzte Liebesdreieck ist noch zumindest bis Ende des Jahres im Raimund Theater zu sehen. Zuvor geht es jedoch für das Phantom der Oper im August in die wohlverdiente Sommerpause.

Text & Bilder: © Barbara Klaus

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