„Hüter der Erinnerung – The Giver“ – Filmkritik

Filmstars in einer nahezu perfekten Welt

Mit „Hüter der Erinnerung – The Giver“ kommt am 2. Oktober 2014 eine weitere Bestseller-Verfilmung in die österreichischen Kinos. Anders als so manch anderer auf einem Buch basierender Film, kommt dieser mit nur gut 90 Minuten Laufzeit über die Runden, reiht sich aber mit seinem utopischen Zukunfts-Setting in die aktuell sehr beliebten Sci-Fi bzw. Fantasy-Filme ein.

Der Jugendliche Jonas (Brenton Thwaites) lebt mit seiner Familie (u.a. Katie Holmes und Alexander Skarsgård) in einer scheinbar perfekten Welt, befreit von Gewalt, Armut und Kriegen. Für diesen Lebensstil zahlen sie aber einen hohen Preis, der ihnen jedoch nicht bewusst wird. Durch eine täglich verabreichte Droge empfinden sie keine Gefühle und sehen keine Farben. Empfindungen wie Liebe, Freude, aber auch Trauer und Hass sind ihnen fremd. In Folge gestaltet sich ihr Alltag grau in grau. Dafür verantwortlich ist der Rat der Ältesten, der ihr ganzes Leben bestimmt. So werden die Kinder von Leihmüttern ausgetragen und dann an Eltern übergeben bis sie alt genug sind um eine ihnen vom Rat zugewiesene Aufgabe in der Gesellschaft zu übernehmen. Dabei wird Jonas von der Vorsitzenden des Ältestenrates (Meryl Streep) eine ganz besondere Aufgabe zuteilt – er wird zum „Hüter der Erinnerung“ ernannt. Dabei wird ihm von seinem Vorgänger (Jeff Bridges) all das Wissen mitgeteilt, das er stellvertretend für die gesamte Gemeinschaft bewahren soll. Hierbei kommt Jonas erstmals mit der Weltgeschichte, die voller Hass, aber auch Schönheit ist, in Kontakt. Schnell bemerkt er, dass die ach so perfekte Gemeinschaft auf Verbrechen und Lügen basiert und unternimmt alles, um die von ihm geliebten Menschen zu retten. Aber bis jetzt hat es noch nie jemand geschafft die Gemeinschaft lebend zu verlassen….

Der auf ein offensichtlich junges Zielpublikum zugeschnittene Film erinnert stark an bisherige Literaturverfilmungen aus dem Sci-Fi bzw. Fantasy-Genre. Wieder einmal finden sich die Zuschauer in einer stark veränderten Zukunft wieder, gegen welche eine Person oder eine Gruppe von Menschen rebelliert. Ein grundsätzlich ähnliches Szenario konnte schon in diversen anderen Literaturverfilmungen der letzten Zeit, wie etwa in der „The Hunger Games“-Trilogie und „Die Bestimmung – Divergent“ beobachtet werden. So verspricht der Film auf den ersten Blick wenig innovative Ansätze.

Aber auch wenn einige Parallelen zu bisherigen Filmen und Büchern nicht von der Hand zu weisen sind, so hat der Regisseur Phillip Noyce es doch geschafft mit diesem Film etwas Eigenständiges zu schaffen. Besonders auffällig ist der wirkungsvolle Einsatz von Farben. So kommt der Filmemacher gut die Hälfte des Films komplett ohne diese aus und setzt nur auf Grautöne, um noch einmal die Emotionslosigkeit der Welt zu verdeutlichen. Erst als Jonas sich immer mehr der Existenz von Gefühlen gewahr wird, wird die Welt um ihn herum immer bunter und farbenfroher. In Folge wirken die farbigen Bilder dann umso überwältigender und eindrucksvoller auf den Zuschauer.

Auch kann der Film als eine Kritik an der aktuellen Gesellschaft gelesen werden, die heutzutage nur noch auf Effizienz und Nützlichkeit fokussiert scheint. Obwohl die Romanvorlage von Lois Lowry schon vor rund zwanzig Jahren veröffentlicht wurde, erscheint dieses Thema präsenter denn je. „Hüter der Erinnerung“ führt den Zuschauern vor Augen was passieren könnte, wenn die Menschheit immer weiter in diese Richtung drängt. So werden in der allem Anschein nach perfekten Welt des Films alte, kranke und schwache Menschen, die nicht mehr für die Gemeinschaft von Nutzen sind, weggeschafft. Hinter dem Synonym des „Freigebens“ versteckt sich vor den Augen der Gesellschaft, die aufgrund ihrer Emotionslosigkeit ihr falsches Handeln nicht erkennt, ein fortwährend praktizierter Massenmord.

Wer sich aufgrund des Trailers einen actionreichen Thriller erwartet, wird leider enttäuscht sein. Denn der Film kommt, bis auf die letzte Viertelstunde, so gut wie ohne Gewalt aus. Vielmehr stehen die Studie der Gemeinschaft und die Veränderung des Denkens des Hauptdarstellers, Jonas, im Vordergrund. Aber mit einer angenehmen Laufzeit von gut 90 Minuten kommen auch so im Film keine Längen auf, denn dieser zieht einen von Beginn an in seinen Bann. Ein Grund dafür ist mit Sicherheit die Starbesetzung des Films. Mit Jeff Bridges und Meryl Streep konnten zwei Oscarpreisträger für die Literaturverfilmung gewonnen werden, welche wieder einmal ihr schauspielerisches Können unter Beweis stellen. So gibt Jeff Bridges den desillusionierten ehemaligen Hüter der Erinnerung, der am Rande der Gemeinschaft ein einsames und abgeschiedenes Leben lebt. Meryl Streep hingeben stellt gekonnt die steife und sich ihrer falschen Handlungen bis zu einem gewissen Grad bewusste, aber diese nicht bereuende, Vorsitzende des Ältestenrates dar. Der Hauptdarsteller des Films, der australische Schauspieler Brenton Thwaites (Jonas), dürfte besonders einem jüngeren Publikum seit seiner Darstellung des Prinzen Phillip in „Maleficent“ bekannt sein. Auch sonst stößt man im Film immer wieder auf bekannte Gesichter. So werden die Eltern von Jonas von Katie Holmes (u.a. „Dawsons Creek“ und „Batman Begins“) und Alexander Skarsgård (u.a. „True Blood“ und „Battleship“) dargestellt. In einer kleinen Nebenrolle ist auch die US-amerikanische Country-Sängerin Taylor Swift zu sehen, die jedoch im Film relativ fehl am Platz erscheint.

Insgesamt handelt es sich beim Film „Hüter der Erinnerung“ um eine gut gelungene Literaturverfilmung eines schon aus anderen Filmen ansatzweise bekannten Stoffes, wobei der sparsame Einsatz von Farbtönen und der exzellent gewählte Cast des Films ein besonderes Kinoerlebnis versprechen. Ein kleiner Tipp: den Abspann ansehen! Bei dem zum Schluss zu hörenden Song von One Republic, „Ordinary Human“, handelt es sich um ein weiteres Lied der US-amerikanischen Band mit Hitpotenzial.

Barbara Klaus

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