Dass Oper nicht unbedingt eine große Bühne braucht, beweist die Aufführung von Georges Bizets weltberühmter Oper Carmen in der Krypta der Peterskirche im Wiener ersten Bezirk. Obwohl die Uraufführung ein Misserfolg war und von der Kritik zerrissen wurde, brachte sie jedoch einige Monate nach dem frühen Tod des Komponisten einen durchschlagenden Erfolg.
Die leidenschaftliche Geschichte führt den Zuschauer in die Welt der Soldaten, Schmuggler und gefeierten Toreros. Das Libretto, verfasst von Henri Meilhac und Ludovic Halévy, basiert auf der gleichnamigen Novelle von Prosper Mèrimèe.
Natürlich mussten bedingt durch ein kleines Ensemble Änderungen vorgenommen werden, die aber hervorragend glückten und den Gesamteindruck der Oper nicht verfälschten. Die Sänger begleitete eine präzise nach Originalpartituren virtuos gespielte Klaviermusik, die keinesfalls das große Opernorchester vermissen ließ. Die bestgeschulten großartigen Stimmen der bereits in verschiedenen Opernhäusern aufgetretenen jungen Sänger vermochten das Publikum sofort in ihren Bann zu ziehen. Zugleich trug auch der intime Rahmen in der Krypta zu einem ganz besonderen Erlebnis bei.
Mit der Aufführung von Carmen konnte sich die Intendantin Dorothèe Stanglmayr einen lang gehegten Wunsch erfüllen, nachdem sie nach intensiver Suche in der Mezzosopranistin Flaka Goranci die ideale Besetzung fand. Die Rolle scheint dieser auf den Leib geschrieben. Ihr Temperament, das samtige Timbre in der Stimme, die Mimik und nicht zuletzt auch ihr hinreißender Tanz verzauberten die Zuhörer. Das einfache Bauernmädchen Micaëla stellte Olga Czerwinski so natürlich und liebenswert dar, dass man sie aufrichtig zu bedauern begann. Ihre wunderschöne lyrische Sopranstimme sowie die meisterlich gesungenen Koloraturen konnte man nur bewundern. Die in Wien bereits bekannte Koloratursopranistin Mariana Garci-Crespo und die Mezzosopranistin Helēna Sorokina als Frasquita und Mercedès ließen nicht nur ihre klangvollen Stimmen ertönen, sondern überzeugten ebenso mit einer beachtenswerten Schauspielkunst.
Ali Magomedov begann 2013 von Wien aus seine internationale Karriere. Durch sein großes Stimmvolumen besitzt er ein umfassendes Repertoire. Er vermochte die hörige Liebe zu Carmen sowie die tödliche Eifersucht stimmlich und darstellerisch wahrlich glaubhaft zu machen. Die volltönende, kräftige Stimme des mexikanischen Bassbaritons Jorge A. Martinez ließ die Stierkampfarena überzeugend in Gedanken erstehen. Der vom Bariton zum Tenor übergewechselte italienische Sänger Marco Ascani als Remendado war bereits 2015 in der Krypta zu hören. Daniel Valero, ein vielversprechendes Talent, sang hier das erste Mal und wird hoffentlich in anderen Kryptaproduktionen noch zu hören sein. Ein vom Wiener Publikum gefeierter Figaro in „Le nozze di Figaro“ Joel Andrew Wolcott übernahm im Sommer 2017 die künstlerische Leitung der Oper in der Krypta und stellte nicht nur als Sänger des Moralès und Dancairo, sondern auch als Regisseur seine Vielseitigkeit unter Beweis.
Elena Upryamova, die Pianistin und musikalische Leiterin gleich mehrerer Krypta Produktionen, leitete und begleitete die Sänger gefühlvoll und sicher und ermöglichte dadurch den ungetrübten Operngenuss, der sich hier einmal nicht auf einer entfernten Bühne, sondern direkt in Augenhöhe und Reichweite des Publikums abspielte.
Hoffentlich ist es auch weiterhin möglich diese kleine, feine Opernbühne, die keinerlei Subventionen erhält, für Kenner und Liebhaber weiter zu bespielen.