Alle Mühlen stehen still in Kolumbien

Seit dem letzten Mittwoch geht nichts mehr im Land des magischen Realismus.

Hier herrscht gerade ein selbsterlassener Kurzurlaub in fast allen Bevölkerungsschichten. Der Grund ist das Fußballspiel Kolumbien gegen Uruguay, bei der Copa America. Es hat eine landesweite Welle des Nationalbewusstseins ausgelöst, das es so wie jetzt in der Geschichte Kolumbiens noch nie zuvor gegeben hat. 10 tapfere Kolumbianer haben 11 verzweifelte Uruguayer bei einem 1:0 Resultat besiegt. Das hört sich zunächst mal nicht besonders berichtenswert an. Vor allem wenn man kein Fußballfan ist.

Aber es geht hier gar nicht so sehr um den Fußball, sondern um Anerkennung.

Es geht darum, dass gerade die ganze Welt über dieses so oft gescholtene Land in einem gemeinsamen Ton respektvoll, gar bewundernswert, berichtet. Die sportliche Leistung hat für die Kolumbianer am Ende des Tages eine viel wichtigere Bedeutung, als einen Ball in ein Tor zu feuern.

Stellen sie sich vor, liebe Leser und Leserinnen, sie entscheiden sich spontan einen Urlaub in Kolumbien zu machen. Ihr Sohn oder ihre Tochter kam gerade von dort auf einer Rucksackreise aus Kolumbien zurück und war begeistert. Sie vertrauen ihrem Kind. Sie lassen sich auch begeistern und sie erzählen ihrem besten Freund, jemand aus ihrer Generation, vielleicht ein Nachbar, von ihrem Vorhaben, Urlaub in Kolumbien zu machen.

Und jetzt schlägt die Bombe ein!

Ihr Freund, sein Partner, beide raten ihnen vehement davon ab, in diesem berüchtigtem südamerikanischen Land Urlaub zu machen. Die Beschreibungen ihres Freundes über Kolumbien sind detailgenau. Haarklein bis in alle Einzelheiten. Ausführlich und grafisch. So sehr, dass du danach in der Nacht um den Schlaf gebracht wirst. Du wälzt dich im Bett, während die Drogenbarone dich durch die Nacht jagen. Du führst einen schlaflosen Kampf grausamer Vorstellungen mit dem, was dir dein Nachbar mit nach Hause gegeben hat. Jetzt sind die schönen Seiten, die dir von deinem Bub – deinem Mädel, voller Begeisterung in Fotos und Videos gezeigt wurden, hoffnungslos in deiner Erinnerung verloren gegangen.

Kolumbianer wissen, wie die Welt über sie denkt.

Auch wenn du noch nie einen Kolumbianer kennengelernt hast, jeder Einheimische hier im Land weiß, wie es um seinen Ruf auf der Welt bestimmt ist. Sie wissen, wie die Presse über sie redet, und sie sind sich bewusst, wie voreingenommen die Bevölkerung im Rest der Welt über sie denkt. Sicherlich ist es kein Geheimnis, dass die Bevölkerung im Land sehr arm ist. Aber wen es interessiert, der informiert sich. Dabei erfährt er in Windeseile die positiven Dinge, das Angenehme, das einfach Schöne, Gute, das mit diesem Land verbunden ist. Aber weil man es sich in der heutigen Zeit bequem macht, keine Zeitungen mehr kauft und schon gar nicht schöne Bücher liest. Darum verdaut die Masse das Futter, das sie von gewissen Personengruppen vorgesetzt bekommt.

Wach auf und informiere dich – höre auf dein Herz.

Du sagst jetzt man schreibt dir nichts vor. Du bist frei und selbstständig. Du weißt was abgeht auf der Welt. Nun, das mag dir so erscheinen. Aber es könnte auch sein, dass du es noch gar nicht bemerkt hast, was dich unter Kontrolle hält? Das Handy, das Internet, die sozialen Plattformen, Videos statt gutgedruckter Zeilen auf Papier, alles auf dem Bildschirm, denn anders geht es kaum noch. Egal, was wir selbst über uns denken, wir alle werden auf irgendeine Weise kontrolliert. Sicherlich sind wir bereits so weit, dass auch die „Willigen“ unter uns oft kaum noch unterscheiden können, was für sie gut oder schlecht ist.
So weit ist es gekommen! Aber …. Es gibt immer noch Möglichkeiten, sich vom Einfluss des vermeintlich „Unvermeidlichen“ zu trennen. Manchmal ist es ratsamer, auf das Kind zu hören als auf den Nachbarn.

Höre auf dein Herz. Und für wen schlägt eigentlich dein Herz mehr? Für deinen Nachbarn oder für deine Kinder?

Zurück zum Fußball.

Nochmal zurück zu dem Sport, der zeitweise die Welt regiert. Es ist keine Neuigkeit, dass oft die besten Sportler bei internationalen Wettkämpfen aus armen Ländern stammen. Aber arm zu sein heißt nicht „kriminell“ zu sein. Und das genau ist dieses immer noch herrschende Vorurteil, das bis heute gegen Kolumbien weltweit verbreitet wird.

Und weil die Kolumbianer das wissen – (genau darum) – sind sie so verdammt stolz auf ihr Land und auf ihre Fußballmannschaft. Jetzt, wo die Welt in Bewunderung auf sie schaut, zeigt es den Bürgern, dass sie eben keine „Drogendealer“ und keine „Straßenräuber“ sind. Sie sind keine Mehrzahl von Dieben, Verbrechern und Nichtsnutzen, die noch auf den Bäumen leben, deren Frauen nur in der Prostitution eine Verdienstgelegenheit finden und deren Männer mehr oder weniger jeden übers Ohr hauen.

Ich weiß das klingt hart. Das muss man erst mal verdauen.

Ich, für mich, habe es längst verdaut. Ich habe das Risiko auf mich genommen, persönlich dort zu leben, worüber andere sich eine Hand über den Kopf schlagen und mit der anderen abwinken. „Wer nichts wagt, der nichts gewinnt“. In diesem Sinne, ein freundliches „Hola“ aus der Nähe des Pazifiks.

Ich bin der Arthur aus Armenia, Quindio, Kolumbien. www.youtube.com/@casacolombia2035

(überarbeitet von unserer Redakteurin für Internationales)

 

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