„High-Rise“ – Filmkritik

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Eindrucksvolle gesellschaftskritische Literaturverfilmung

In wenigen Tagen (08.07.) startet „High-Rise“ auch in den österreichischen Kinos. Die Literaturverfilmung besticht nicht nur mit einer grandiosen Besetzung – in den Hauptrollen sind die beiden britischen Stars Tom Hiddleston und Jeremy Irons zu sehen – sondern auch aufwändig inszenierten Einstellungen, die den Zuschauer zum Nachdenken bewegen und einer unverhohlenen Gesellschaftskritik.

Der frisch geschiedene 30-jährige Dr. Robert Laing (Tom Hiddleston) zieht in den 25sten Stock eines äußerst ungewöhnlichen Hochhauses, welches vom Architekten Anthony Royal (Jeremy Irons) entworfen wurde. In den unteren Etagen wohnen die niedrigeren Klassen, in den obersten Stockwerken die Upperclass, sowie irgendwo dazwischen die Mittelschicht. Im obersten (40sten) Stock lebt Royal selbst. Schnell macht Laing Bekanntschaft mit beiden Extremen in Form von Richard Wilder (Lukas Evans), einem Fernsehjournalisten aus dem zweiten Stock und dem Architekten höchst persönlich. Je länger er im Hochhaus wohnt, desto augenscheinlicher werden die Auseinandersetzungen und Spannungsverhältnisse zwischen den Bewohnern. Bei einem (erneuten) Stromausfall schlagen diese unter der Oberfläche rumorenden Konflikte in offene Gewalt um…

Charlotte (Sienna Miller) wohnt im 26ten Stock und hat Interesse an Dr. Laing (Tom Hiddleston).

Der auf dem dystopischen Roman „High-Rise“ von James Graham Ballard basierende Spielfilm kritisiert offensichtlich die bestehenden Gesellschaftsstrukturen. So stellt dieser sich der Frage: Was passiert, wenn alle Gesellschaftsschichten in einem Hochhaus zusammen wohnen würden? Der Gedanke des Architekten wandelt sich allzu schnell von der positiven Utopie zur negativen Dystopie. Statt Friede und Harmonie beherrschen zunehmend Hass, Gewalt, Neid und schlussendlich Mord und Todschlag den Alltag im Hochhaus. Im Endeffekt: Anarchie statt Demokratie.

Richard (Luke Evans) wohnt im zweiten Stock und ist bei jeder Party dabei.

Diese scheinbare Parallelwelt wird von Regisseur Ben Wheatley in eindrucksvollen, außergewöhnlichen, geradezu verrückten Szenen eingefangen. Die morbide, phantastische Atmosphäre scheint stets greifbar. Je länger der Film dauert, desto schneller dreht sich der Regisseur – und mit ihm seine Figuren – in einem Strudel immer surrealer werdenden Einstellungen und Sequenzen, die zum Teil gezielt der Provokation dienen. Der Zuschauer soll über das, was er soeben gesehen hat, nachdenken und sich nicht nur passiv, wie in diversen Aktion-Filmen, „berieseln“ lassen. Hierzu leisten auch das Ambiente – eine Mischung aus futuristischen und 70er-Jahre Elementen – und die Musik, die oft über versteckte Botschaften verfügt, einen wichtigen Beitrag.

Im einzigartigen Aufzug des Architekten spiegelt sich Dr. Laing (Tom Hiddleston) unzählige Male.

Außergewöhnlich ist jedoch nicht nur der morbide Bilderrausch und die satirische Handlung, mit der Wheatley das Publikum konfrontiert, sondern auch der Cast des Films. So verkörpert Tom Hiddleston („Thor“ (2011), „Crimson Peak“ (2015)) einen analytischen, distanzierten Arzt, der trotz seiner emotionalen Kälte den mentalen Belastungen des Hochhauses nicht standhalten kann. Ihm gegenüber steht der Architekt des Hauses, dargestellt von Jeremy Irons („Der Mann mit der eisernen Maske“ (1998), „Die Borgias“ (2011-2013)), der das Scheitern seines Experiments bzw. Traums nicht verhindern kann. Als Prototyp eines Revolutionärs ist Luke Evans in der Rolle des Fernsehjournalisten Richard zu sehen. Hingegen gehen die weiblichen Charaktere im Film, die stets mit dem ihnen zugeordneten Frauenbild kämpfen, beinahe unter. So z.B. Sienna Miller als Charlotte und Elisabeth Moss als Helen – Richards Frau.

Der Schöpfer/Architekt (Jeremy Irons) des Hochhauses kämpft nicht nur mit technischen Problemen.

Insgesamt ist „High-Rise“ eine höchst anspruchsvolle Gesellschaftssatire, die versucht den höchst schwer zu verfilmenden Roman von James Graham Ballard auf die Leinwand zu bannen. Das Ergebnis ist ein top besetzter zweistündiger surrealer Bilderstrudel, der den Zuschauer nachdenklich, verstört oder völlig überfordert zurück lässt.

Bilder: © DCM

Text: Barbara Klaus

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