Die (wahrscheinliche) Zukunft des gedruckten Buches

 

Anschließend an meine allgemeine Vision zum Danach – die, wie hoffentlich bemerkt wurde, kaum mehr als ein Denkanstoß sein sollte – möchte ich an dieser Stelle auch meine Vorstellungen zu den Veränderungen im Buchhandel und im Verlagswesen äußern. Dazu habe ich seit unserem letzten Auftritt auf einer regionalen Buchmesse bewusst beobachtet, wie sich die gesamte „Szene“ und ihr Rand bewegte, mit einigen gut involvierten Leuten gesprochen und das Ganze in ein Verhältnis zur gesamten Situation der Wirtschaft gesetzt.

Ob wir es wollen oder nicht – wir sind nur ein kleiner Teil einer großen Entwicklung, gegen die wir uns entweder wütend stemmen oder aber sie uns zunutze machen können. Ich neige in solchen Situationen immer zur zweiten Variante.

Überall in der Welt ist zu beobachten, dass die bislang forcierte globalistische Wirtschaft an ihre Grenzen stößt und es zu einem Umdenken kommt, keineswegs nur aus Umweltgründen. Die Tendenz geht jetzt schon spürbar zum Nationalen und Regionalen (was weiterhin Internationales und Überregionales nicht ausschließt). Dieser Trend geht auch an Buchhandel und Verlagswesen nicht vorbei und bietet eine gewaltige Chance für kleine Verlage und Selfpublisher, ebenso auch für kleine überschaubare Buchläden engagierter Inhaber bzw. Händler.


Schon in den vergangenen Jahren hatte sich angedeutet, dass die berühmten Bestseller-Mammutauflagen der Großverlage immer weiter zurückgefahren wurden, da nicht nur die Anzahl der potenziellen Leser schrumpfte, sondern die verbliebenen Interessenten das Gefühl bekamen, dass ihnen in sämtlichen Großbuchhandlungen „immer nur dasselbe“ angeboten wurde, ein gewisser Einheitsbrei oftmals zu Unrecht hochgejubelter Werke. Die Suchenden strömten auf bekannte kleine Messen und kamen immer wieder, wenn sie einmal fündig geworden waren. Auch der für so manchen überraschende KNV-Konkurs Anfang 2019 zeigte, dass die Giganten „am Ende der Fahnenstange“ angekommen waren.

Nach Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens – das ich all meinen „Prognosen“ zugrunde lege, da ein gelingender Neustart der Gesamtwirtschaft zumindest in Deutschland ohne ein solches kaum vorstellbar erscheint – werden die Menschen gelassener leben, langsamer, wahrnehmender. Viele von ihnen werden endlich das tun, was sie schon immer wollten, aber aus einer gewissen Existenzangst heraus nicht zu beginnen trauten. Deshalb werden auch Leute im mittleren Alter wieder mehr lesen. (Die bisherige Selbstentschuldigung „ich komme einfach nicht mehr dazu“ fällt weg.) Allerdings werden die Leser auch länger prüfen, was sie kaufen, allein schon, weil das Kaufen nur noch selten den Charakter einer Ersatzhandlung für fehlende Lebenserfüllung sein wird.

Obwohl während der derzeitigen Einschränkungen der Online-Handel insgesamt Rekordumsätze machte – weil die Leute wegen der Masken- und Abstandspflicht wenig Spaß am direkten Einkauf hatten und deshalb lieber zu Hause blieben – wird diese Tendenz wieder zurückgehen. Der Mensch bleibt Mensch und geht gern hinaus (z. B. in Buchhandlungen), um seinesgleichen zu begegnen. So etwa sah es auch eine Buchhändlerin, mit der ich kürzlich sprach.

Der Rückgang des Erholungstourismus, den ich in meinem anderen Artikel beschrieb, könnte ebenso dazu führen, dass wieder mehr gelesen wird. Wenn das Fliegen teurer und umständlicher erscheint (was sich jetzt schon andeutet), beginnt der an der Ferne Interessierte, in seinem Sessel zu reisen.

Statt weniger großer wird es viele kleine Verlage geben, und statt weniger marktbeherrschender Online-Händler ebenfalls viele kleine. Der bisher von vielen so gefürchtete Gigant Amazon wird seine Weltweit-Billig-Strategie nicht länger fahren können und deshalb erheblich kleiner werden müssen. Da dann auch Lagerkapazitäten eingespart werden, wird es nur noch in Einzelfällen sehr hohe Buchauflagen geben.
Unter solchen Umständen funktioniert das Modell des Honorarschriftstellers (der die Rechte an seinen Werken vollständig an einen Verlag abgibt, um nach Möglichkeit von den Tantiemen zu leben) höchstwahrscheinlich gar nicht mehr oder nur noch selten. Es ist die Basis des Grundeinkommens, die alles verändert und jeden einzelnen Teilnehmer einer Geschäftskette gewissermaßen befreit, indem es ihn zu immer selbstbewussteren Entscheidungen animiert.

Auf diese Weise werden auch wieder sehr schöne Bücher mit vorwiegend Hardcover-Einbänden hergestellt werden. Es existiert kein Druck mehr, auf Gedeih und Verderb sparen zu müssen.

Das E-Book wird auch künftig eine Art Seitenschiene bleiben und das gedruckte Buch nicht verdrängen können. Die Sinne des Menschen (der etwas in der Hand halten, oft auch Papier riechen möchte und sich an einer schönen Gestaltung erfreut) sind von all diesen Veränderungen nicht betroffen.

Als Fazit sehe ich vor allem, dass die bislang empfundene Alltagshektik entweder stark minimiert wird oder für viele ganz wegfällt. Allein schon dieses sich somit verändernde Lebensgefühl zieht das Lesegefühl mit. Wer liest, will sich einlassen, und nun kann er sich auch leichter einlassen.

Andreas H. Buchwald                                        Greith, 1. Juni 2020

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