„14 Tage 1918“ – Buchrezension

Den Anfängen der Republik auf der Spur?!

Ende Oktober (23.10.) stellten Ivona Jelčić und Matthias Breit,  die Autoren von  „14 Tage 1918. Die Anfänge der Republik in Tirol“, ihr Werk im Rahmen einer Buchpräsentation im Ferdinandeum (Innsbruck) vor. In diesem wird anhand von 53 kommentierten Zeitungsausschnitten des „Allgemeinen Tiroler Anzeiger“ versucht ein umfassendes Bild der letzten Tage der Monarchie bzw. den Beginn der Republik Deutschösterreich zu skizzieren. Dabei driften die Autoren jedoch oftmals in Schilderungen aus dem Ersten Weltkrieg ab, wodurch weniger die Anfänge der Republik als das Ende des Krieges und dessen Folgen im Fokus des Buches stehen.

Die Grundidee, die Zeitung als zeitgenössische Quelle heranzuziehen, hat durchaus seine Berechtigung. Denn vor rund hundert Jahren, noch lange vor Radio, Fernsehen und Internet, stellte diese das zentrale Kommunikationsmedium dar. Wer am Puls der Zeit sein wollte, warf einen Blick in die Tageszeitung. Ivona Jelčić und Matthias Breit haben sich dafür des „Allgemeinen Tiroler Anzeigers“ angenommen. Ausgewählt wurden insgesamt 53 Textpassagen, die zwischen dem 9.11. und 23.11.1918 erschienen sind. Bei den gewählten Zeitungsausschnitten handelt es sich aber nicht nur um Nachrichten und Berichte, sondern ebenfalls um amtliche Mitteilungen, Reklamen, Kleinanzeigen, Zuschriften und andere Textformen, mit denen wir heute noch (größtenteils) vertraut sind. Diese auf den ersten Blick etwas gewagte Zusammenstellung macht das Buch gerade so interessant. So liest man darin u.a. von der Suche nach feinen Naturhaaren, Gerichtsverfahren aufgrund von Verstößen gegen die Ablieferungspflicht und dem Verkauf von Kindersaugern („Schnullern“) und gutmelkenden Kühen.

Den Anspruch des Buches, über die Anfänge der Republik zu berichten, erfüllt dieses jedoch nur bedingt. Denn vielmehr stehen der Erste Weltkrieg selbst und die unmittelbaren Folgen bzw. Begleiterscheinungen dessen, im Fokus der Publikation. Dementsprechend erfährt der Leser bzw. die Leserin mehr über die Lebensmittelknappheit, die sich noch weit in die Nachkriegszeit hinein zog, die Herstellung von Kriegswürsten, propagandistische Sammelaktionen (u.a. Metall und Gummi),  die (verzweifelten) Versuche bestimmte Rohstoffe (z.B. Wolle) durch billigere und/oder andere Gegenstände (z.B. Zeitungen) zu ersetzen und die um sich greifende Spanische Grippe. Natürlich ist in diesem auch von der Abdankung Kaiser Karls I. in Form einer amtlichen Mitteilung zu lesen und der Tilgung der kaiserlichen Symbole aus dem öffentlichen Bild nach der Ausrufung der Republik Deutschösterreich. So wurde beispielsweise von der nördlichen Kuppel der Hofburg ein großer Doppeladler Ende November 1918 entfernt.

Aber auch Hinweise auf die Zukunft, die von Antisemitismus und schließlich dem Anschluss an NS-Deutschland geprägt sein sollte, lassen sich aus den Zeitungsausschnitten herauslesen, wenn beispielsweise in einem Leitartikel von der „gelben Gefahr“ berichtet wird. Der antisemitische Text von Richard Steidle richtet sich gegen Juden, die sich in der demokratischen Bewegung engagieren. Angesichts der Lebensmittelknappheit und Wohnungsnot richtete sich die damalige antisemitische Hetze auch gegen die als „Ostjuden“ verunglimpften Flüchtlinge aus Galizien und Bukowina. Nicht verwunderlich ist demzufolge auch die von den Buchautoren vertretene Meinung, dass bereits in den Zeitungsausschnitten der ersten Nachkriegstage (November 1918) die Bruchlinien, die später zum Austrofaschismus und Nationalsozialismus führten, erkennbar sind.

Insgesamt ist „14 Tage 1918. Die Anfänge der Republik in Tirol“ ein Buch, das vor allem geschichtlich interessierte Laien auch außerhalb Tirols ansprechen wird. Auch wenn sich die Publikation auf dieses Bundesland konzentriert, so verweist es doch auf allgemeine Tendenzen und Vorgänge, die in großen Teilen der Habsburgermonarchie zu jener Zeit vor sich gingen. Zu verweisen ist nur z.B. auf die Spanische Grippe, die Problematik im Umgang mit Flüchtlingen, Kriegsgefangenen und der allgemeinen (unorganisierten) Demobilisierung, sowie der akuten Lebensmittelknappheit. Für Historiker und Historikerinnen dürfte dieses Buch jedoch kaum neue Erkenntnisse bereithalten. Auch ein besserer Aufbau, der manche (unnötige) Wiederholungen hätte verhindern können, wäre wünschenswert gewesen. Die Buchpräsentation in Wien findet am 14. November (19:00) im Haus der Geschichte (Neue Burg, Heldenplatz) statt.

Text: Barbara Klaus

Bild: © Tyrolia

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